Sonia Grimm war eine der Ersten in meiner Facebook-Gruppe “Slowflower-Bewegung” und hat dort von Anfang an mir und allen anderen AnfängerInnen super wertvolle und vor allem ausführliche Ratschläge zu jedem erdenklichen Thema rund um den Schnittblumenanbau gegeben. Denn Sonia wurde die Liebe zu Blumen schon in die Wiege gelegt: Sonias Uropa führte bereits die Gärtnerei und Sonia hat sich mit ihrem Studium der Landschaftsarchitektur, Umweltplanung und einer Ausbildung zur Zierpflanzen-Gärtnerin all das Fachwissen angeeignet, dass mir am Anfang so fehlte.
Als wir uns 2017 kennenlernten ebnete Sonia bereits den Weg, das konventionelle Familienunternehmen auf Bio umszustellen: “Floralita” war geboren! Und was seit dem alles geschah, erzählt sie mir heute in diesem Interview. Vielen Dank, liebe Sonia (mal wieder) für deine wertvolle Zeit!
Liebe Sonia, wie kamst du auf die Idee die traditionelle Blumengärtnerei deiner Familie auf Bio umzustellen?
Tatsächlich hatte mein Vater die Idee des biologischen Anbaus. Er setzt schon seit Jahren (wenn nicht sogar Jahrzehnten) Nützlinge in den Rosen ein. Da aber leider die traditionellen Kunden kein Interesse an biologischen Blumen hatten und auch wenig Informationen zum Anbau verfügbar waren, hat er alleine den Schritt nicht gewagt. Als ich mich nach meinem Studium (überraschend) doch für den Weg in den Blumenanbau entschieden habe, war für uns zwei ganz schnell klar: wir ziehen das jetzt trotzdem durch! Zusammen haben wir uns getraut und auch viele Freude der nachhaltigen Produktion gefunden. Vor allem die Slowflower-Bewegung motiviert uns jeden Tag.
Wo ist die Gärtnerei “Floralita” und wie groß ist deine Anbaufläche?
Unsere Gärtnerei liegt direkt hinter Baden-Baden in der Rheinebene. Wir haben wunderbares Klima und schönen, lockeren Boden. Dabei können wir in ca. 20.000 m² Gewächshausfläche anbauen – das ist richtig viel und Platz für immer neue Ideen. Im Freiland haben wir sogar mehrere Hektar zur Verfügung, vor allem für Sonnenblumen und Dahlien. Dort wachsen auch kleine Wälder mit Schnittgrün für den Winter und unsere neun lieben Schafe grasen auf drei Weiden.
Wie waren die Anfänge, nachdem du entschieden hattest, umzustellen? Womit hast du begonnen und wo stehst du jetzt?
Der Anfang war sehr schwer, es gab leider kaum vergleichbare Gärtnereien und auch wenig Informationen. Wir haben begonnen, den Anbau umzustellen – zum Beispiel nur noch biologisch gedüngt. Parallel haben wir das Sortiment von einer puren Monokultur an Rosen zu einer Vielfalt an Blumenarten erweitert. Das war eine richtig große Herausforderung und ich habe viele, viele Blumen gesät, getestet, verworfen und lieben gelernt.
Natürlich war es auch sehr schwer, den Anbau biologischer Blumen zu kommunizieren und unseren Kunden auch die Wichtigkeit nachhaltiger Produkte zu erklären. Zum Glück sind in den letzten Jahren immer mehr biologische Schnittblumen-AnbauerInnen in Deutschland dazu gekommen und wir bekommen immer mehr positives Feedback zu unserem Weg.
Um es offiziell zu machen, lassen wir uns gerade zertifizieren. Das bedeutet, wir werden von unabhängigen Stellen kontrolliert und können ab 1.Oktober 2020 unsere Blumen sogenannte ´Umstellungserzeugnisse´ des biologischen Anbaus nennen. Es dauert tatsächlich noch zwei weitere Jahre, bis wir komplett bio- zertifiziert sind. Darauf sind wir jedoch besonders stolz, auch wenn es ein unglaublicher bürokratischer Aufwand ist.
Wie fand deine Familie deine Idee das Unternehmen zu verändern als du ihnen das erste Mal davon erzählt hast?
Eine Gärtnerei in unserer Größe zu verändern ist nicht nur schwer, sondern meist fast unmöglich. Manchmal denke ich, es wäre leichter gewesen, einfach ein Start-Up neu zu gründen. Denn auch wenn meine Familie (mittlerweile) hinter meinen Ideen und Entscheidungen steht, muss ich auch immer noch meine KollegInnen und KundInnen überzeugen. Trotzdem bin ich irgendwie auch sehr stolz, nachdem ich anfänglich fast jeden Tag verzweifelt aufgeben wollte. Denn jetzt sind wir alle zu 100% überzeugt von biologischen, saisonalen, nachhaltigen Blumen. Und wenn ich nun eine verrückte Idee habe, packen wir es alle gemeinsam begeistert an. Ein wunderbares Gefühl!
Du machst den Blumenanbau hauptberuflich – wie organisierst du deine Woche und gibt es für dich auch Freizeit oder Urlaub?
Eigentlich habe ich für jede Woche einen genauen Plan, was ich wann erledigen möchte. Es ist jedoch in den letzten Jahren noch nie vorgekommen, dass ich diesen Plan einhalten konnte – denn es kommt immer etwas dazwischen! Daher bin ich dazu übergegangen, mir jeden Tag eine wichtige Sache vorzunehmen, die ich unbedingt erledigen möchte. Den Rest des Tages verbringe ich mit Aussaat, Kontrolle der Blumen, viel Zeit auf Instagram, um mich auszutauschen und Kunden zu antworten, Emails und Papierkram, Bestellungen von Samen und Co, mehr Büroarbeit und natürlich auch immer ein bisschen Blumenernte am Morgen.
Richtig feste Zeiten für freie Zeit oder Urlaub habe ich nicht. Dafür liebe ich meine Blumen aber auch viel zu sehr und möchte auch garnicht ohne sie sein. Jedoch nehme ich mir so oft es geht ein paar Stunden am Nachmittag frei. Vor allem für Recherche und Inspiration – denn neue Blumenarten finden sich nicht von selbst.
Für mich sind zehn Minuten morgens im Dahlienfeld mit meinen Hunden und bei Sonnenschein absolute Entspannung und Urlaub pur!
Du arbeitest eng mit deiner Familie zusammen, vor allem mit deinem Vater, wobei ergänzt ihr euch besonders gut und wann gibt es auch mal Meinungsverschiedenheiten?
Überraschenderweise sind wir ein absolut perfektes Team. Mein Vater ist eher defensiv und praktisch denkend, wobei ich verrückte, übertriebene und unmögliche Ideen vorschlage. Wir wählen dann einfach den Mittelweg und liegen damit meist genau richtig. Meinungsverschiedenheiten gibt es eigentlich keine, natürlich diskutieren wir manchmal, das finde ich jedoch unglaublich wichtig für unseren Fortschritt. Wir streiten uns eigentlich nur über die Mengen an Dahlien – denn ich würde am liebsten jeden freien Platz damit bepflanzen und er hält mich (glücklicherweise) zurück.
Was macht die am meisten Spaß an deiner Arbeit?
ALLES. Die Abwechslung, das Neue, den Pflanzen beim Wachsen zuschauen, die Blüten erleben, das Pflanzen, das Ernten, die Jahreszeiten, die begeisterten Gesichter unserer Blumenfreunde. Denn tatsächlich ist meine Arbeit vielfältiger als es scheint – Pflanzenpflege, Büroarbeit, Marketing, soziale Medien, Pläne schmieden, Tests durchführen, Dokumentation, technische Reparaturen, neue Arbeitsmethoden entwickeln, Teamleader sein, inspirieren, motivieren… Da mir schnell langweilig wird, ist der Job absolut perfekt für mich. Kein Tag gleicht dem anderen und es gibt immer neue Herausforderungen für mich.
Was ist das Wichtigste, was du bisher auf deinem Weg als Blumenbauer gelernt hast?
Geduld. (Die ich eigentlich nicht habe).
Veränderungen brauchen mehr Zeit, als ich dachte.
Welchen Rat würdest du jemandem geben, der gerne BlumenbauerIn werden möchte?
Da gibt es so Vieles… Am Wichtigsten finde ich, sich auf wenige Blumenarten zu konzentrieren und nicht alles gleichzeitig zu wollen. Ein glückliches und gut gepflegtes Beet wird mehr Freude und Ernte bereiten. Und die Vielfalt kommt mit der Zeit.
Was sind deine Wünsche und wo siehst du dich in fünf Jahren?
Eigentlich bin ich Moment schon an einem meiner größten Ziele angekommen. Natürlich stehen die nächsten Träume schon bereit und ich bin sehr aufgeregt, wie die Zukunft sein wird. In fünf Jahren will und werde ich die Gärtnerei meines Vaters komplett übernommen haben und selbstständig führen. Ich werde noch mehr Menschen mit meinem Ideen anstecken und hoffentlich auch noch mehr über den biologischen Anbau informieren können.
Und ich werde mir einen meiner größten Träume erfüllen – ein großes Feld voller Pfingstrosen!
Bisher ist es noch ruhig hier...